Die automatisierte Erkennung von Anomalien in Maschinendaten gewinnt in der Industrie zunehmend an Bedeutung. Durch die Digitalisierung und Sensorik entstehen riesige Datenmengen, deren manuelle Überwachung kaum mehr möglich ist. Business Intelligence Tools wie Microsoft Power BI bieten hier scheinbar eine einfache Lösung: Mit wenigen Klicks lassen sich Trends und Ausreißer visuell darstellen und das ganz ohne Programmierung. Doch wie weit kommt man damit wirklich?
Wie zuverlässig erkennt Power BI Anomalien im Vergleich zu einem eigens entwickelten Modell auf Basis eines LSTM-Autoencoders?
Power BI: schnell einsatzbereit, aber eingeschränkt
Power BI bietet eine integrierte Anomalieerkennung in Liniendiagrammen, die auf dem sogenannten Spectral Residual Convolutional Neural Network (SR-CNN) basiert. Der große Vorteil dieses Ansatzes: Es ist kein Training nötig. Das heißt, die Funktion ist sofort einsatzbereit und liefert auf Knopfdruck visuelle Ergebnisse. Für viele Business-Anwendungen ist das völlig ausreichend. Besonders, wenn der Fokus auf der schnellen Interpretation und nicht auf der Modelllogik liegt.
Allerdings zeigt sich in der Praxis: Die Anomalieerkennung in Power BI ist nur eingeschränkt anpassbar. Sie funktioniert ausschließlich mit einfachen Zeitreihen, unterstützt keine Mehrfachwerte oder komplexe Zusammenhänge und erlaubt keine gezielte Feinabstimmung oder Einblick der Modelllogik. Damit bleibt sie in Szenarien mit individuellen Anforderungen oder nicht linearen Mustern schnell hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Das eigene Modell: höherer Aufwand, mehr Kontrolle
Die Nutzung eines eigenständig implementierten LSTM-Autoencoder stellt eine mögliche Alternative dar. Ein LSTM-Autoencoder ist ein neuronales Netz, das zeitliche Abhängigkeiten in Daten erlernen und typische Muster selbstständig rekonstruieren kann. Weichen neue Daten stark von diesen Mustern ab, erkennt das Modell sie als Anomalien.
Dieses Verfahren ist jedoch deutlich aufwändiger: Daten müssen bereinigt, normalisiert und in Trainingssequenzen überführt werden. Das Modell benötigt Zeit zum Trainieren und Abstimmen. Dafür bietet es aber höchste Flexibilität:
Man gewinnt volle Kontrolle über die Erkennung, inklusive Schwellenwerten, Modellarchitektur und Bewertungslogik, welche ebenfalls exakt an die jeweilige Datenstruktur angepasst werden können. In der Praxis konnte der Autoencoder vor allem subtilere Abweichungen erkennen, die Power BI übersehen hat, wie zum Beispiel sich langsam aufbauende Temperaturänderungen vor einem Systemausfall.
Einordnung der Ergebnisse anhand der Treffergenauigkeit
Um die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen sichtbar zu machen, wurden die Resultate anhand zweier Grafiken, welche die Treffergenauigkeit der beiden Modelle visualisieren, gegenübergestellt:
Die Power-BI-Grafik zeigt die markierten Anomaliebereiche anhand von rot gestrichelten Linien und den durch das Model erkannten Ausreißern anhand von schwarzen Punkten. In der Analyse wurde deutlich, dass Power BI einige Intervalle teilweise korrekt abdeckt, jedoch insbesondere bei dichten Punktwolken und komplexeren Verläufen sichtbare Lücken und Fehldetektionen auftreten.
Die Darstellung des LSTM-Autoencoders zeigt durch die gelb markierten Intervalle die Anomalieintervalle und mit roten Kreuzen erkannte Anomalien. Sie verdeutlicht eine wesentlich detailliertere und quantitativ auswertbare Erkennung. Das Modell identifizierte deutlich mehr echte Anomalien, lieferte eine Trefferquote von rund 88,6 % innerhalb der definierten Intervalle und erlaubte eine klare Trennung zwischen wahren und falsch positiven Markierungen.
Vergleich und Fazit
Im direkten Vergleich zeigte sich ein klares Muster:
- Power BI punktet mit Benutzerfreundlichkeit, Geschwindigkeit und Integration in bestehende Dashboards.
- Der LSTM-Autoencoder überzeugt durch Genauigkeit, Anpassbarkeit und technische Tiefe, allerdings auf Kosten von höherem Implementierungsaufwand.
Beide Ansätze haben damit ihre Daseinsberechtigung. Power BI ist ideal für explorative Analysen und Monitoring, während ein selbst entwickeltes Modell seine Stärken bei individuellen Anforderungen und Forschungszwecken ausspielt.
Ausblick
Für viele Unternehmen ist daher ein hybrider Ansatz sinnvoll: Power BI als leicht nutzbares Frontend zur schnellen Visualisierung, kombiniert mit einem trainierbaren Modell im Hintergrund, das komplexe Muster erkennt. So entsteht eine Lösung, die sowohl benutzerfreundlich als auch technisch präzise ist.
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