Von Magnus Siegberg auf Dienstag, 02. Juli 2024
Kategorie: Project Management

Prozessmodellierung nach BPMN 2.0 – Ein Beispiel

​In unserem letzten Blogbeitrag „Einführung in BPMN 2.0“ haben wir verdeutlicht, wie hilfreich Business Process Modeling Notation 2.0 (BPMN) für Unternehmen und Organisationen sein kann, um ihre Geschäftsprozesse zu visualisieren und analysieren.

Es existieren im Web eine Vielzahl von Seiten, welche die Symbolik genauer erläutern und Beispielbilder geben, ohne jedoch eine step-by-step Einführung in die Welt der Prozessmodellierung zu geben. Doch wie sieht dies in der Praxis aus?

Dieser Blogbeitrag hat das Ziel erste Schritte von BPMN 2.0 zu vermitteln, indem wir einen Beispielprozess visualisieren und auf die Bedeutung der einzelnen Notationen und Symbole eingehen.

Das Beispiel

Als Beispiel dient ein vereinfachter Prozess zur Sachbearbeitung einer Kreditanfrage. Da Prozessmodellierungen recht schnell sehr komplex werden können, werden zur Hilfestellung einzelne Prozessschritte beschrieben.

Sie arbeiten im Management eines Kreditinstitutes und sollen den Prozess der Kreditvergabe visualisieren. In den Prozess der Kreditvergabe sind der Vertrieb, der/die Vertriebsleiter:in und ein:e Risikomanager:in eingebunden.

  1. Ein möglicher Kunde stellt einem Kreditinstitut eine Anfrage für ein Kreditangebot. Die Mail mit der Anfrage des Kunden erhält der Vertrieb, somit startet der Prozess.
  2. Der Vertrieb prüft die Vollständigkeit der Kreditanfrage.
  3. Ist die Anfrage fehlerhaft, wird der Antrag abgelehnt und eine Absage an den Kunden via Mail versendet.
  4. Ist die Prüfung erfolgreich, wird die Anfrage akzeptiert. Anschließend starten 2 Aktivitäten. Zum einen prüft der Vertrieb die Modalitäten, zum anderen findet eine Risikobeurteilung durch den/die Risikomanager:in statt.
  5. Falls im Vertrieb standardisierte Modalitäten anwendbar sind, kann der Vertrieb die Kalkulation für den Vertrag durchführen, ansonsten gestaltet der/die Vertriebsleiter:in spezielle Modalitäten.
  6. Nach abgeschlossener Bearbeitung des Vertriebes, des/der Risikomanager:in und bei Bedarf der/des Vertriebsleiter:in, kann nun die Anfrage final akzeptiert oder abgelehnt werden.
  7. Sind die Modalitäten ausgearbeitet und die Risikobeurteilung erfolgreich abgeschlossen, wird der Vertrag aufgesetzt und als Angebot an den Kunden versendet. Wird das Angebot vom Vertrieb abgelehnt, erhält der Kunde ebenfalls eine schriftliche Information.

Eine Musterlösung

Nachfolgende Musterlösung habe ich mit Draw.IO erstellt. Dabei ist es wichtig, dass der/die Ersteller:in durch die Vielzahl der verfügbaren Symbole eine gewisse Flexibilität bei der Notation hat. Entscheidend ist jedoch, dass innerhalb der jeweiligen Organisation oder des jeweiligen Unternehmens eine einheitliche Darstellung verwendet wird. Die einzelnen Prozessschritte und deren Notation werden im nächsten Kapitel Schritt für Schritt erläutert und die verwendeten Symbole erklärt.

Zur Unterstützung empfehlen wir parallel zur Erläuterung diese sehr hilfreiche PDF zu nutzen:

Die Erläuterung

​Es gibt in unserem Beispiel zwei Pools, den Kunden sowie das Kreditinstitut. Pools repräsentieren die jeweiligen Prozessbeteiligten, zumeist differenziert man hier zwischen externen und internen Prozess-Stakeholdern. Pools sind mit Abständen zueinander und durch Rahmen getrennt. Interaktionen zwischen Pools werden mit gestrichelten Linien und Richtungspfeilen verbunden.

Innerhalb des Pools „Kreditinstitut“ existieren drei Swimlanes: Vertrieb, Vertriebsleiter:in und Risikomanager:in. Swimlanes können Organisationseinheiten oder Rollen darstellen, die innerhalb einer Organisation oder eines Unternehmen existieren. Innerhalb der Lane werden die Aufgaben des/der entsprechenden Prozessteilnehmer:in modelliert.

  1. Der Prozess innerhalb des Unternehmens beginnt mit der eingehenden Kreditanfrage eines möglichen Kunden im Vertrieb. Die Start-, Zwischen- und Endereignistypen eines Prozesses nennt man Events. Sie werden mit einem Kreis abgebildet.

    Events und weitere Symbole können mit Ereignissen befüllt werden, um dem Betrachter weitere Informationen mitzuteilen (siehe PDF). In diesem Beispiel erhält das Kreditinstitut Anfragen allgemein als Nachricht. Eingehende Informationen werden bei BPMN weiß abgebildet und ausgehende schwarz. In diesem Beispiel ist dies die Farbe des Briefumschlages (siehe Start und Ende des Modells).
  2. Als Connecting Object zwischen einzelnen Aktivitäten oder Aufgaben (Tasks) innerhalb eines Pools werden normale Linien mit Pfeilen für die Richtungsangabe verwendet. BPMN bietet noch weitere Connecting Objects, welche auf dem PDF-Poster abgebildet und beschrieben werden. Die Prüfung der Anfrage auf ihre Vollständigkeit und Plausibilität ist ein Task. Tasks werden als Quadrat/Rechteck mit abgerundeten Ecken dargestellt.
  3. Um Verzweigungen und Zusammenführungen darzustellen, verwendet man bei BPMN 2.0 Gateways. Für unser Beispiel benötigen wir ein exklusives Gateway. Exklusive Gateways kommen zum Einsatz, wenn genau eine Bedingung erfüllt sein muss („entweder/oder“) und werden in Form einer Raute, gefüllt mit einem X dargestellt. In unserem Beispiel wird die Prüfung des Antrages entweder erfolgreich abgeschlossen und somit akzeptiert oder die Anfrage wird abgelehnt.
  4. Bei erfolgreicher Prüfung starten nun 2 Tasks gleichzeitig, weshalb wir ein paralleles Gateway benötigen. Parallele Gateways erfordern, dass alle ausgehenden Prozesspfade verfolgt werden („und“). Erst wenn bei der Zusammenführung alle eingehenden Pfade erfüllt sind, darf der Prozessfluss fortgesetzt werden. Dargestellt wird das Symbol ebenfalls in Form einer Raute, aber gefüllt mit einem Pluszeichen. Neben dem Vertrieb wird jetzt auch die Swimlane des/der Risikomanager:in mit einem Task gefüllt, indem er/sie die Anfrage beurteilt.

    Die Risikobeurteilung ist ein Task. Tasks kann man, wie Events auch, mit zusätzlichen Informationen hinterlegen (siehe PDF). In unserem Beispiel gehen wir davon aus, dass die Beurteilung in Kreditinstituten ein eigener Prozess mit mehreren Aktivitäten ist. Demnach verwenden wir das Subprocess-Symbol, um darauf hinzuweisen.
  5. Parallel zur Risikobeurteilung verläuft die Modalitätsprüfung. Da entweder Standard-Modalitäten im Vertrieb greifen oder spezielle Modalitäten von dem/der Vertriebsleiter:in neu definiert werden müssen, kommt erneut ein exklusives Gateway zum Einsatz.

    Die Kalkulation anhand der Standard-Modalitäten wird in unserem Beispiel von eine:r Mitarbeiter:in durchgeführt, der/die die Anfrage via Softwareunterstützung bearbeitet. Hierzu nutzen wir einen User-Task. Ein User Task ist eine Aufgabe, die eine:r bestimmten Benutzer:in oder einer Benutzergruppe zugewiesen ist und deren Ausführung über eine spezifische Benutzeroberfläche erfolgt. Diese Art von Task wird oft in automatisierten Prozessen verwendet, bei denen der/die Benutzer:in bestimmte Informationen eingeben muss oder eine spezifische Aktion ausführen muss, um den Prozess fortzusetzen.

    Für die Darstellung der Task des/der Vertriebsleiter:in für die Gestaltung der speziellen Modalitäten wird in unserem Beispiel ein Subprocess-Symbol verwendet.
  6. Nun führen wir die einzelnen Prozessstränge über ein exklusives Gateway zusammen.
  7. Wird die Anfrage vom Vertrieb abgelehnt, erhält der Kunde eine schriftliche Absage. Hier wird wieder das runde Eventsymbol verwendet, allerdings mit fettem Rahmen, da dieses Event den internen Prozess beendet. Der Briefumschlag ist farblich schwarz hinterlegt, weil es sich um eine ausgehende Nachricht handelt.

    Wird der Antrag vom Vertrieb akzeptiert, wird ein softwareunterstützter Vertrag in Form einer User-Task aufgesetzt und ebenfalls an den Kunden als Angebot versendet. In unserem Beispiel endet die Antragsbearbeitung an dieser Stelle.

Fazit

Das Beispiel der BPMN 2.0 Modellierung zeigt, wie Geschäftsprozesse verständlich und effizient abgebildet werden können. Durch die grafische Darstellung lassen sich Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten schnell erkennen. Unser Beispiel gibt einen ersten Eindruck, wie flexibel BPMN 2.0 an verschiedene Geschäftsanforderungen angepasst werden kann.

Wir hoffen, Ihr Interesse für das Thema Prozessmodellierung mit BPMN 2.0 geweckt zu haben. Falls Sie den Wunsch haben, sich tiefer mit der Thematik zu beschäftigen, wendet Sie sich gerne an uns.

Zum Seminarshop

Kommentare hinterlassen