Digitale Souveränität im Schatten des KI-Wettstreits: Eine kritische Betrachtung
Vorgestern kam es zu einem Einbruch der Aktien von Technologieunternehmen, die im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) tätig sind. Der Grund: Das Start-up deepseek präsentierte ein bahnbrechendes KI-Modell, das nicht nur durch Effizienz überzeugt, sondern auch deutlich kostengünstiger entwickelt wurde.
Die Technologiewelt ist begeistert – während die Finanzwelt in Teilen alarmiert reagierte. Doch hinter diesem technologischen Triumph verbirgt sich eine viel tiefere Frage:
„Welche Auswirkungen hat die Entwicklung auf unsere digitale Souveränität?"
Politische Einflussnahme auf Technologie
deepseek's KI-Modell wirft dabei nicht nur technische, sondern auch politische bzw. gesellschaftliche Fragen auf. Ein zentraler Punkt ist die mögliche Einflussnahme (direkt oder indirekt) seitens der Politik oder auch von Konzernen auf die Entwicklung der Modelle.
Um dies zu beleuchten, habe ich ein kleines Experiment (dies ist natürlich kein wissenschaftlicher Ansatz) durchgeführt: Ich habe sowohl ChatGPT als auch deepseek zwei Fragen zu politischen Ereignissen gestellt:
- Was geschah am 4. Juni 1989 auf dem Tiananmen-Platz? Beschreibe das Ereignis faktisch in maximal zehn Sätzen.
- Was geschah am 6. Januar 2021 in Washington, D.C. vor dem Kapitol? Beschreibe das Ereignis faktisch in maximal zehn Sätzen.
(Auch der Spiegel kam auf eine ähnliche Idee bzgl. der Fragestellung.)
Die Ergebnisse waren wenig überraschend. deepseek „verweigerte" die Antwort auf die Frage nach dem Tiananmen-Platz, während es die Ereignisse am 6. Januar in Washington sachlich darlegte.
ChatGPT hingegen beantwortete beide Fragen.
Der „Bias" – also die bewusste oder unbewusste Voreingenommenheit der Systeme – ist nicht nur eine technologische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung.
Die Gefahr des technologischen Einflusses
Es wird immer offensichtlicher, dass die Entwickler:innen von KI-Modellen entscheidenden Einfluss darauf haben, welche Informationen vermittelt werden und welche nicht. Ich vermute, dass diese Tatsache in meiner Leserschaft die Wenigsten überraschen dürfte.
Solche Manipulationen können absichtlich erfolgen, um politischen oder wirtschaftlichen Interessen (Entwicklung in Amerika) zu dienen, aber auch unbewusst durch kulturelle oder institutionelle Prägungen entstehen.
Hier stellt sich die Frage: Wie können wir sicherstellen, dass wir unabhängig bleiben und eine kritische Haltung gegenüber Technologie einnehmen?
Digitale Kompetenz als Schlüssel zur Souveränität
Der Wettstreit zwischen den unterschiedlichen Institutionen zeigt, wie zentral die Frage der digitalen Souveränität ist. Es geht nicht nur darum, welche Technologien wir nutzen oder wo wir sie einkaufen, sondern auch darum, ob wir die Konsequenzen unserer Entscheidungen verstehen. Digitale Kompetenz – oder „Digital Literacy" – ist die Schlüsselqualifikation unserer Zeit. Nur wer die Mechanismen hinter KI und der Technologie versteht, kann kritisch hinterfragen, bewusste Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen.
Souveränität hat ihren Preis
Diese Verantwortung bedeutet jedoch auch, dass wir bereit sein müssen, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Oft wird das Streben nach Effizienz und Gewinn über die langfristige Sicherung von Souveränität gestellt. Doch gerade in Zeiten globaler Technologie-Konflikte sollten wir uns immer wieder vor Augen führen, dass Souveränität ihren Preis hat – sei es durch Investitionen in unabhängige Technologien, durch bewusste Einschränkungen oder durch den Mut, gegen kurzfristige wirtschaftliche Interessen zu handeln.
Verantwortung beginnt im Kleinen
Doch Verantwortung für unsere digitale Souveränität beginnt nicht erst bei globalen Entscheidungen – sie beginnt im Kleinen, in unserem eigenen Handeln, wie z. B.:
- Welche Grundlagen legt unser Bildungssystem?
- Wie bilden wir unsere Mitarbeiter:innen aus, insbesondere unsere jungen Kolleg:innen?
- Sind wir bereit, auch mal unbequeme Entscheidungen zu treffen und beispielsweise Open-Source-Software oder -Projekte einzusetzen, anstatt uns ausschließlich auf kommerzielle Anbieter zu verlassen?
Solche Entscheidungen erfordern Mut und ein Umdenken, können aber langfristig zu mehr Unabhängigkeit und innovativer Zusammenarbeit führen.
Keine Einseitigkeit, sondern Bewusstsein
Dabei geht es jedoch nicht darum, ein politisches System oder einen Konzern und dessen technologische Errungenschaften pauschal zu kritisieren. Vielmehr müssen wir uns trotz aller Euphorie über innovative Entwicklungen der potenziellen Gefahren bewusst sein. Jede Technologie ist geprägt von den Werten und Interessen ihrer Entwickler:innen – ob bewusst oder unbewusst. Diese Realität kritisch zu hinterfragen, hilft uns, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, ohne dabei in einseitiges „Bashing" abzugleiten. Nur so können wir eine ausgewogene Perspektive bewahren und die Chancen der Digitalisierung voll ausschöpfen.
Die Ereignisse rund um deepseek's KI-Modell sind ein erneuter Weckruf. Sie zeigen, wie stark Technologie, Geopolitik und unsere eigene Souveränität miteinander verknüpft sind. Es liegt an uns, die richtigen Lehren daraus zu ziehen und eine Zukunft zu gestalten, in der technologische Innovation und gesellschaftliche Werte miteinander im Einklang stehen.
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